Salzwedeler feiern
ihre Grand Dame

Helga Weyhe

Bücher sind unverzichtbar für die Entwicklung einer Gesellschaft und deren Ideale. Eine Frau in Salzwedel hat sich das seit Jahrzehnten auf die Lebensfahne geschrieben – Helga Weyhe, Deutschlands älteste Buchhändlerin. Zum 95. Geburtstag ging es in ihren Geschäftsräumen turbulent zu, die an ihrem Ehrentag keineswegs geschlossen waren. Die Eingangstür klappte auf und zu, die alte Türglocke bimmelte, Freunde und Verwandte strömten herein, mit Blumen und Präsenten. Warum erfreut sie sich seit Jahren so großen Interesses an ihrer Person? Sicherlich nicht nur, weil sie immer noch im Arbeitsleben steht. Es ist ihre Ausstrahlung, die zumindest bei mir die Hacken ehrfurchtsvoll zusammenschlagen lässt.
Diese Frau weiß genau was sie will. Das musste sie auch in ihrem langen Leben erst lernen. Geboren und aufgewachsen ist sie in einer Zeit, als das Wort Gleichberechtigung noch nicht im Duden oder im Brockhaus zu finden
war. In Helga Weyhe spiegeln sich der Aufbruch aus dunklen Zeiten und der Aufstieg selbstbewusster Frauen wider.
In eine Schublade lässt sich die heute 98-Jährige trotzdem nicht quetschen. Auf die Frage, „Was bewegt Sie an diesem Tag?“, antwortet sie mit sanfter Wehmut: „Man schaut zurück auf das, was man erlebt hat. Das Geschäft war und ist immer an erster Stelle.“ Und fügt hinzu: „Ich freue mich, wenn nette Leute zu mir kommen. An die Zukunft denke ich nicht viel, nur an den nächsten Tag.“
Im August 2017 erhielt sie in Hannover den Sonderpreis des deutschen Buchhandels für ihr Lebenswerk. Zu dieser Ehrung fuhr sie erster Klasse und kommentiert verschmitzt: „Mit der zweiten wären wir auch ans Ziel gekommen.“ „Typisch, die Tante“, sagt Großnichte Sabine Mende aus Schwerin, die ebenfalls im Buchhandel ihre Erfüllung gefunden hat. Konsequente Haltung, konsequentes Handeln – das war und ist Helga Weyhes Sache. Genau wie bei ihrem Vater. Der verkaufte keine braune Literatur und seine Tochter keine Literatur der Roten: „Mir war immer Weltliteratur wichtig.“ So hätte sie gern einmal eine Lesung mit Paul Auster aus den USA in ihren Geschäftsräumen erlebt.
Vorschnelle Resignation vor großen Dingen, das gibt es nicht bei Helga Weyhe. Die Herausforderungen der Zeit hat sie stets gemeistert, ob vor oder nach der Wende. Und so wird es wohl auch bleiben, denn die Buchhandlung Weyhe gibt es bereits seit 177 Jahren in der Hansestadt.

Kirsten Matschkus

Buchhandlung Weyhe

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