„Ich wollte immer nur für mein Dorf da sein“

Anni Schulz

Wernstedt und Anni Schulz: Beide gehören mehr als ein halbes Jahrhundert lang untrennbar zusammen. Bis 2019 hat die Bürgermeisterin die Geschicke des Ortes mitbestimmt. Sie erlebte dabei zwei Gesellschaftssysteme, drei Landkreise und zig Politiker. Die resolute Frau war stets eine Konstante in ihrem Dorf. Mit 80 Jahren freut sich, den Ruhestand zu genießen. 


Für Anni Schulz ist es an der Zeit, ihr (Arbeits-)Leben zu sortieren.  Auf dem Besprechungstisch im Büro liegen Mappen mit Schriftstücken, Urkunden, Orden, Zeitungsartikel und eine handgeschriebene Liste mit Projekten, die ihr wichtig waren. Stifte, Block, ein Telefon mit Schnur – einen Computer sucht man vergebens. Wichtigstes „Arbeitsmittel“ der Ortsbürgermeisterin ist das Fahrrad geblieben. Am 1. April 1967, ihrem 28. Geburtstag, übernahm sie das Amt. Um den Bürgermeisterstuhl, der damals knapp 400 Einwohner zählenden Gemeinde, hatte sich die gelernte Steno-Phonotypistin nicht gerissen.  Als ihr Vorgänger abgesetzt worden war, habe niemand den Posten haben wollen, berichtet sie. Die Ratsmitglieder schauten sich gegenseitig betroffen an und dann auf Anni Schulz, die damals als Gemeindesekretärin tätig war. „Du kennst dich aus und machst doch ohnehin die Arbeit“, lautete das Argument, das letztlich zog. Schulz stimmte zu, das Amt kommissarisch zu übernehmen, bis ein neuer Bürgermeister gefunden sei. Die Suche dauerte 52 Jahre.

Bei jeder Wahl sprachen die Wernstedter ihr das Vertrauen aus.  Bis 1994 war sie hauptamtlich tätig. Danach leitete sie ehrenamtlich die Geschicke in der heute noch 200 Einwohner zählenden Ortschaft, die seit 2007 zur Einheitsgemeinde Kalbe gehört. Nicht überall habe sie sich nur Freunde gemacht, weiß Schulz. Wer etwas erreichen will, müsse unbequem sein und den „Oberen“ auf die Füße treten. In die große Politik habe es sie nie gezogen. „Ich wollte immer nur für mein Dorf da sein“, sagt Anni Schulz.

Stolz präsentiert sie ihre Liste mit den Projekten, die umgesetzt wurden. Von A wie Abwasser bis V wie Villa Kunterbunt (die über einen Verein betriebene private Kita im Ort) reicht die Palette. Das bedeutendste und langwierigste Vorhaben war der Straßenbau. Am letzten Punkt auf der Liste, der Flurneuordnung, ist nun auch ein Haken dran. Jetzt sei der richtige Zeitpunkt gekommen, um aufzuhören.